Der Tagliamento – Flußmorphologie und Auenvegetation der größten Wildflußlandschaft in den Alpen

01.01.1995

Type: Link Language: English, German Author: Wolfgang Lippert, Norbert Müller, Susanne Rossel, Thomas Schauer, Gaby Vetter

Bereits auf dem Satellitenbild der Alpen sind die Dimensionen des Flußgebietes des Tagliamento in
den Südalpen zu erahnen. Als weißes Band zeichnen sich seine weiten Schotterfelder deutlich ab. Fast auf
seiner gesamten Länge von der Quelle in den Südalpen bis zur Mündung ins Mittelmeer fließt der mächtige Fluß noch ungebändigt dahin. Damit ist er der letzte große Fluß in den Alpen, an dem flußdynamische Prozesse großmaßstäblich ablaufen. Berichtet wird über Besonderheiten der Flußdynamik und Flußtypen am Tagliamento, über Pflanzen welt und Pflanzengesellschaften, die im Flußverlauf auftreten. Entscheidende Standortfaktoren, die die Flußgestalt und ihre Lebensgemeinschaften bestimmen, sind die Morphodynamik (d. h. die durch Erosion und Akkumulation bedingten Umgestaltungsprozesse der Alluvionen) und die Hydrodynamik (d. h. der Wechsel von Überschwemmung und Trockenfallen der Auenstandorte). Im Flußverlauf wirken diese Faktoren recht unterschiedlich und führen zur Ausbildung von charakteristischen Flußlauftypen mit entsprechenden Lebensgemeinschaften:
- Der oberste Lauf in Quellnähe und die Schluchtstrecken im Oberlauf sind extreme Lebensräume, in
denen nur Pflanzengesellschaften der alpinen Schwemmlingsfluren und Pioruergebüsche auftreten.
Die klein- bis großräumigen Wildfluß landschaften im Ober - und Mittellauf sind geprägt von großen
vegetationsfreien oder nur spärlich mit krautigen Pioniergesellschaften bewachsenen Schotterfeldern.
Solange der Fluß im Bereich der Alpen fließt sind die vorherrschenden AuengeseUschaften mit denen der
Nordalpen vergleichbar.
- Am gewundenen Flußlauf im Unterlauf kommen verstärkt wärmeliebende Pflanzengesellschaften hinzu, in denen viele eingewanderte oder eingeschleppte Pflanzensippen (Neophyten) vorherrschen.
Für das Verständnis des Ökosystems Aue und als Grundlage für dringend notwendige Auenrenaturierungen in ganz Europa kann der T agliamen to als Referenz-Auenlandschaf-t betrachtet werden. Charakteristische Pflanzengesellschaften naturnaher Wildflußlandschaften, die heute anderswo weitgehend
ausgerottet wurden , kommen an ihm noch weiträumig vor. In unserer geordneten Kulturlandschaft
zählt der Tagliamento zu den letzten Wildflüssen in Europa, in denen die Dynamik von Ökosystemen
noch weitgehend natürlich abläuft.

Um im Sinne des UNESCO-Programmes "Der Mensch und die Biosphäre" einmalige Naturlandschaft zu erhalten, sollte darum der Tagliamento als größte Wildflußlandschaft in den Alpen in das globale Netz der Biosphärenreservate aufgenommen werden und besonderen Schutz genießen.

Keywords: geography, flora, fauna, plant communities, life strategies

View entry